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Montag, 1. Oktober 2012
Hummer oder Burger?
Reisen ist wie Essen: wenn Sie auf die Schnelle etwas zwischen die Kiemen brauchen, dann holen Sie sich einen Burger im Fast-Food-Restaurant. Der macht schnell satt, ist unkompliziert in der Handhabung, und schmeckt überall auf der Welt gleich.
Wenn Sie Gaumenfreuden möchten, dann wählen Sie das Restaurant mit Bedacht, lassen sich die Spezialitäten des Tages beschreiben, und wählen auch einmal etwas, das Sie noch nicht kennen. Vielleicht gestaltet sich das Menü etwas kompliziert, die Auswahl dauert etwas länger. Aber Sie genießen den Verdauungsspaziergang hinterher, empfehlen das Essen und das Restaurant weiter, und werden sich auch nach Jahren noch an diesen Genuss erinnern. Nicht zu vergessen die neidischen Blicke Ihrer Bekannten, wenn Sie von diesem einzigartigen Aroma der Soße schwärmen!
Läuft Ihnen das Wasser schon in Sturzbächen im Munde zusammen? Der Vorteil beim Reisen ist, dass man den Hummer oft schon zum Preis des Burgers bekommt, will sagen: der 08/15 Urlaub im Clubhotel an einem austauschbaren Strand ohne besondere Eindrücke ist oft massiv teurer als die exotische Erlebnistour, von der Sie noch in 30 Jahren erzählen werden.
Und Sie werden nicht nur deswegen so lange davon erzählen, weil die Reise an sich absolut unglaublich war. Sie werden sich auch den Respekt Ihrer Freunde und Bekannten verdienen, indem Sie denen Fakten und Eindrücke näher bringen, die sonst gerne unter den Tisch fallen.
Je mehr Sie reisen, umso mehr werden Sie eines feststellen:
Schlau ist nicht der, der alles weiß, sondern der, der das Richtige weiß.
Im Zeitalter von Internet und Kabelfernsehen setzen wir uns tagtäglich einem Bombardement von Halbwissen aus, dass zumeist nur konsumiert, und nicht hinterfragt wird. Bei jeder Meldung in den Fernsehnachrichten machen wir eine Blitzreise an den Ort des Geschehens, beklagen im Zeitraffer die Opfer, verteufeln die Gegner. Klappe, die nächste. Das Wetter. Werbung. „Schatz, bringst Du mir noch ein Bier? Was kommt heute für ein Spielfilm?“
Aber was wissen wir eigentlich? Sind alle Iraner potentielle Terroristen, weil ein paar wenige nicht die Finger vom Bomben basteln lassen können? Sind alle Bayern rettungslose Alkoholiker, nur weil das Oktoberfest weltbekannt ist? Ist der Pakistani per se ein fanatischer Moslem und jeder Inder ein friedliebender Hindu? Mögen alle Ossis Bananen? Warum konnten wir den Tsunami im Dezember 2004 oder die Flut in Pakistan im August 2010 nicht vorhersehen? Wie kommen die Streifen in die Zahncreme?
Vermutlich ginge es auf diesem Planeten weitaus ruhiger zu, wenn wir unsere gigantische Masse an Halbwissen reduzieren würden zugunsten dessen, was wirklich wichtig ist: Verständnis für den Nachbarn, und ein Gefühl für die Welt in der wir leben. Die Spendenhilfe für die Flutopfer in Pakistan wäre vermutlich schneller angelaufen, wenn wir das beherzigen würden.
Gerade Reisemagazine schießen im Fernsehen aus dem Boden wie Wolkenkratzer in Dubai. Nicht, weil die Sender ein so großes Informationsbedürfnis haben. Nein! Quote erreicht man mit den Träumen des Publikums. Und das träumt nun mal von Urlaub. Um aber die breite Masse zu erreichen benötigt man unkomplizierte, massentaugliche, leicht verdauliche Ware ohne Haken und Ösen. Differenzieren kostet Sendezeit und macht die Sache nur unnötig kompliziert. Wir wollen doch unterhalten.
Alle Haie sind gefährliche Killermaschinen, in der Türkei tragen alle Frauen ein Kopftuch, Amerika ist das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Basta!
Stimmt, oder? Denkste!
Die Lösung gibt es nach der Werbung – Entschuldigung, im entsprechenden Kapitel dieses Buches.
Und es gibt noch eine Parallele zum Essen. Wer einmal richtig gut gespeist hat, der isst nur noch Junk-Food, wenn es sich überhaupt nicht vermeiden lässt. Wie die Katze, die nur ein einziges Mal Whiskas bekommen hat, verweigert man ab sofort jede mindere Qualität.
Ähnlich ist es beim Reisen: wer einmal auf den Geschmack gekommen ist, den lässt es nicht mehr los. Sushi statt Fischstäbchen, Boeuf Stroganoff statt Hamburger, Korallenriff statt Hotelpool, Sonnenuntergang statt Clubanimation, endlose Weiten statt Katalogseiten.
Wen es einmal erwischt hat, der entkommt dieser Sucht nicht mehr. Denken Sie daran: man isst nicht nur, um den Teller leer zu kriegen, genießen Sie, suchen Sie das Besondere!
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