Die amerikanischen Nationalparks erfreuen sich weltweiter Bekanntheit. Es gibt kaum jemanden, der noch nie vom Grand Canyon, oder vom Monument Valley gehört hat. Es mag zwar nicht verwunderlich sein, dass es in einem Land wie den USA Orte gibt, die schwer ohne Auto zu erreichen sind (bzw. ohne jemanden, der einen in seinem Auto ein Stück mitnimmt). Dass in dieser Autofahrernation aber gewisse Orte – bezüglich der Beschilderung – völlig übergangen werden, sorgt dafür schon für einige Verwunderung. Die Rede ist vom Monument Valley. Die Navajo sind – aufgrund weitestgehend bekannter geschichtlicher Begebenheiten – nicht besonders gut auf die Amerikaner im Allgemeinen zu sprechen. Daher haben Sie wohl beschlossen das Monument Valley unter eigener Regie als Nationalpark zu führen, und die erwirtschafteten Einnahmen ebenfalls selbst zu verwalten. Grund genug für die Amerikaner, dieses Naturwunder beschilderungstechnisch totzuschweigen. Gefunden habe ich es aber trotzdem. Oder, besser gesagt, ich habe die mit 150 Meilen am nächsten gelegene Greyhoundstation in Farmington erreicht. Und hier beginnt eine der bizarrsten Tramp-Etappen, an die ich mich erinnern kann.
Ein homosexueller Navajo mit seinem Pick-Up fragt mich nach ein paar Minuten, ob ich mit ihm Cowboy und Indianer spielen möchte. (Ja, es gibt auch schwule Indianer.) Ich lehne freundlich aber bestimmt ab, Thema erledigt, er nimmt mich noch ein Stück mit bevor er abbiegt. An der nächsten Tankstelle mitten in der Prärie gabelt mich ein alter Mexikaner auf. Sein Wagen fällt fast auseinander, ebenso wie sein Mobile Home und die kompletten anderen Wohnwagen in dem Trailerpark zu dem er mich bringt. Er stellt mich seiner kompletten Familie, den zwei Frauen, den sieben Kindern und was weiß ich wem noch alles vor, und ich bekomme etwas zu essen. Die Menschen sind zwar freundlich, und die wüstenartige Landschaft um den „Shiprock“ benannten Felsen traumhaft, trotzdem will ich weiter. Und in dem Moment als ich mich wieder an die Straße stelle muss ich ein Wurmloch durchschritten haben, oder die Zeit um gut 25 Jahre zurückgesprungen sein.
Es hat gut 38 Grad, die Luft flimmert, und die Straße führt endlos gerade aus bis zum Horizont. Und genau aus diesem flimmernden formlosen Streifen inkarniert plötzlich ein monströses Wohnmobil, das irgendwann einmal weiß gewesen sein muss. Die Federung hat wohl schon bessere Zeiten gesehen, das Teil schwankt gemütlich die Straße entlang, und bleibt direkt vor meiner Nase stehen. Die Tür öffnet sich, und aus einer Rauchsäule heraus grinsen mir zwei Augen und eine breite Zahnreihe entgegen. „Wohin?“ „Monument Valley.“ „Peace Bruder, steig ein.“ Gut, die Richtung stimmmte, und alles andere war ja erstmal nebensächlich. Und da war ich: es war 1969, und wir waren auf dem Weg nach Woodstock. Anders kann es nicht gewesen sein. Das ganze Wohnmobil bestand aus Federn, Farben, Glöckchen, Perlen, Greateful Dead Plakaten, zwei Hunden, und drei Hippies.
Ein dicker Kerl (so dick, dass es eigentlich schon zwei waren), komplett in Batikkleidung hinter dem Lenkrad.
Ein drahtiger Mexikaner (die Zähne und die Augen vom Anfang) Marke Speedy Gonzalez, und Aimee. Und was soll ich sagen, Aimee sah aus wie eine Aimee eben aussieht wenn sie auf dem Weg nach Woodstock ist. Schlanke Erscheinung im Batikkleid, vermutlich nichts drunter, po-lange braune Haare mit Blümchen, und Pupillen, bei denen ich nicht wissen wollte in welcher Farbe sie mich gerade wahrnahm.
Der Dampf kam zu einem Teil davon, dass Aimee gerade Rührei mit Speck zubereitete, zum anderen Teil von der imposanten Haschpfeife des Fahrers. Nachdem mir nun Speedy (ich habe keine Ahnung wie er wirklich hieß) seine sämtlichen Kostbarkeiten wie Glaskugeln, Federn, indischen Krimskrams und so weiter gezeigt hatte, die Hunde gefüttert waren, und die beiden Fahrer die eigentlich einer waren (oder anders herum) ihre Pfeife fertig geraucht hatten gab es Rührei und Kaffee für alle.
Ich habe keine Ahnung wie lange ich in dieser Zeitblase des Jahres 1969 festsaß (es hätte gerne noch länger sein dürfen, die drei waren einfach zu genial). Jedenfalls mussten sie irgendwann abbiegen, und ich trat durch die Tür des Wohnmobils hinaus, zurück ins Amerika von heute, nur noch wenige Kilometer vom Monument Valley entfernt.
Können Sie sich erinnern, wie ich weiter vorne in diesem Buch das Reisen mit einem guten Essen verglichen habe? Das hier ist so ein Moment gewesen, der für das ganz besondere Aroma sorgt. Es gibt eine ganze Menge Reiseerlebnisse, an die ich mich erinnern kann, als wäre es gerade eben erst passiert. Dieses gehört ohne Zweifel zu den Favoriten, schon alleine wegen diesen drei ganz speziellen Typen, und der Atmosphäre die sie versprühten.
Und ich war ja immer noch nicht da. Es müssen noch ungefähr 20 Kilometer bis zum Monument Valley gewesen sein. Während ich an der Straße entlanglaufe hält neben mir ein leerer Bus. Die Tür ist wegen der Hitze geöffnet, und der Fahrer – ein Navajo – grinst mich an. Woher ich komme? Deutschland. Er grinst noch mehr. Das Land mit den hübschen Frauen! Wo ich hin will? Monument Valley. Ich soll einsteigen.
Während wir fahren erklärt er mir, dass er mit diesem Bus Touristen morgens ins Valley bringt, und abends wieder zurück zu den Hotels oder Busterminals. Er hätte gleich so eine Ahnung gehabt, dass ich kein Amerikaner sei, denn dann hätte er mich überhaupt nicht mitgenommen, und wenn, dann nur gegen bare Münze. (Hatte ich das Verhältnis der Navajo zu den Amerikanern schon erwähnt? Ich denke doch.) Wir reden und reden, und bis ich es richtig merke fahren wir schon auf die Eingangsschranke zum Valley zu. Ich soll mich klein machen, damit mich sein Kollege draußen nicht sehen kann. Und wieder einmal bin ich umsonst (ohne zu bezahlen, nicht umsonst!) wo hineingekommen. Er zeigt mir wo ich zelten kann und sagt mir wann ich morgen wieder da sein soll, um mit ihm zurück in die nächste Ortschaft zu fahren.
Wieder einmal war ich fast mehr von den Menschen fasziniert, als von der atemberaubenden Landschaft. Ich habe dann aber trotzdem irgendwo etwas in eine Spendenkasse geworfen. Das war es mir wert!
Amerika ist tatsächlich ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Die Vielfalt an Typen, die Weite der Landschaften, die Menge der Erlebnisse die man von dort mitbringt ist unglaublich. Teilweise auch der Mangel an Wissen.
Man hört diese Geschichten immer wieder, und ich konnte es nicht glauben, bis sie auch mir passiert sind. Zum Beispiel die Frage ob Hitler noch lebt, und was er zwischenzeitlich so treibt. Ja, sie wurde mir gestellt! Ob die „German Autobahn“ tatsächlich ein 1000 Kilometer langer Speedstrip von Hamburg nach München ist (gut, dieses Missverständnis sei verziehen). Oder, ob ich wüsste was eine CD ist. Es ist müßig, einem Amerikaner zu erklären, dass die CD in Deutschland entwickelt wurde. Er würde es nicht verstehen.
Ich habe im Gegenzug dazu nicht verstanden, dass es sich bei diesem Land zwar um die weltweite Militärmacht Nummer eins handelt, man aber im Kaufhaus seines Vertrauens immer noch die gute alte Wäschemangel angeboten bekommt.
Ein junger Mann fragte mich an einem Busbahnhof in Kalifornien, wo ich herkomme. Ich sagte, „ungefähr 9000 Kilometer östlich von hier.“ Seine Antwort: „Ach, New York!“
Lachen oder weinen? Ich weiß es nicht.
Aber es gibt auch immer wieder diese Momente, die einem einen wohligen Schauer über den Rücken jagen.
Im Yosemite Nationalpark lief eine Grizzly-Mama mit ihrem Jungen keine 20 Meter von mir entfernt durch den Wald. Nicht ganz ungefährlich, aber dafür unvergesslich. Den Planeten kochen zu sehen, und zu merken, auf was für einem Feuerball man lebt eröffnet im Yellowstone Nationalpark ungeahnte Erkenntnisse. Und wenn dann noch eine ganze Bison-Herde auf Armlänge an einem vorbeizieht, dann hat der Tag einen sicheren Platz in den „Best Moments in Life“. Die vielen Menschen, die mich ohne weiteres in ihren Autos mitgenommen, oder zum Essen eingeladen haben. Diejenigen, auf deren Grundstück ich mein Zelt aufbauen durfte, oder die mich zum Essen eingeladen haben, weil sie meine Geschichte hören wollten.
Die Momente, in denen man das Alleinsein zu schätzen lernt wie damals, als ich nachts mitten in der Wüste von Nevada lag, nur mit dem Schlafsack auf dem Steinboden, und ein Rudel Coyoten postkartenverdächtig den Vollmond anheulte. Den Moment als ich mir nicht sicher war, ob das Ding da über mir nur eine langgezogene Wolke ist, oder tatsächlich die Milchstraße, die sich von einem Horizont zum anderen quer über den ganzen Himmel zieht. Oder der Tag, an dem ich vor Faszination erstarrt eine Stunde fast bewegungslos am Nordrand des Grand Canyon saß, und mich einfach nicht satt sehen konnte.
Es gibt viele solcher Momente, und allein ihre Aufzählung könnte ein ganzes Buch füllen. (Habe ich erzählt, wie ich in Moab / Utah vergeblich nach einem Briefkasten für meine Postkarten gesucht habe? Man erklärte mir, dass die Menschen hier unglaubliche Angst vor Briefbomben hätten, und dass ich meine Ansichtskarten schon direkt zum Postbüro tragen müsse.)
Einige dieser Momente verstecken sich über die Jahre irgendwo im Ablagefach des Langzeitgedächtnisses, um Platz für Neues zu machen. Zum geeigneten Moment kommen sie aber unter Garantie wieder hervorgekrochen.
Da gibt es allerdings etwas worauf mir fast täglich im Fernsehen die Nase gestoßen wird. Haben Sie sich bei den diversen US-Serien nicht auch schon immer gefragt, warum da jeder jeden kennt? Der Sheriff die Ärztin, die Ärztin den Hausmeister der Grundschule, der Hausmeister den Bürgermeister, und der wiederum ist der Liebhaber der Ärztin, die eigentlich mit dem Besitzer des Tante-Emma-Ladens verheiratet ist. Wie realistisch! Nun, es ist tatsächlich so. Sieht man mal von der Handvoll Ballungszentren ab (also Ostküste, Teile der Westküste und die Hochburgen der Automobilindustrie um Detroit), dann leben unsere amerikanischen Freunde in der tiefsten Provinz. Da ist man spießig, fromm und konservativ (zumindest vorne rum), hält die Welt brav für eine Scheibe, und schert sich einen ***** um das, was im Nachbarstaat geschieht.
Orte wie Manhattan, Las Vegas oder Los Angeles geben dem Wahnsinn zwar einen Namen, haben eine unglaubliche Anziehungskraft und einen scheinbar unerschöpflichen Schatz an Superlativen. Trotzdem müssen Sie nicht so weit reisen, nur um ein paar überdimensionierte Leuchtreklamen im Betondschungel zu sehen. Gut, es ist ihre Entscheidung. Mein Antrieb weiterhin auf diese Art zu reisen waren die Menschen die ich getroffen habe, die unglaubliche Weite und der Einfallsreichtum der Natur, und die Möglichkeit alles ganz ungestört zu erleben. Ich hatte mir die Krankheit eingefangen, für die es keine Pille und keine Impfung gibt – das Reisefieber.
Amerika ist vielleicht EIN Land, aber nicht zwingend DAS Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Ist die Neugier einmal geweckt, dann steht einem die Welt offen.
Und diese Neugier führte mich als nächstes nach Mittelamerika.
Die Welt ist ein Dorf. Wir haben so viele Möglichkeiten. Zu Lernen. Zu Leben. Zu verstehen. Es ist so einfach...
Montag, 21. Januar 2013
Montag, 7. Januar 2013
Wir waren ja gerade bei Gefahrensituationen...
Wo wir gerade bei Gefahrensituationen sind: woran erinnert Sie die Bezeichnung „vorausschauendes Fahren“?
Mich erinnert das immer an meine Führerscheinstunden. Damals hat mir mein Fahrerlehrer erklärt, dass es wichtig ist, nicht nur den Verkehr direkt vor der eigenen Motorhaube zu beobachten, sondern auch den weiter vorne.
Nun, in Kalifornien habe ich gelernt, dass es auch so etwas wie „vorausschauenden Zeltbau“ gibt.
Ich hatte zwei Tage in Santa Barbara verbracht, und war auf dem Weg weiter Richtung Monterey. Heute baue ich mein Zelt oder meine Hängematte meistens irgendwo an einem unbeobachteten Fleck im Grünen auf, damals (schließlich stand ich am Anfang meiner ersten großen Reise) habe ich noch brav nach Campingplätzen gesucht. So auch auf der Zwischenstation in einer Ortschaft Namens Pismo Beach, einem Surfer El Dorado, wie man mir sagte. Der Campingplatz war völlig überbelegt, keine Chance mehr für mein kleines Kuppelzelt. Allerdings ist es in Pismo Beach erlaubt, am Strand zu zelten, und das hat durchaus seinen Reiz. Wäre da nur nicht die Tatsache, dass es nachts um zehn bei fast völliger Dunkelheit extreme Schwierigkeiten macht, ein Zelt so aufzubauen, dass es nicht völlig versandet! Ich hätte in dieser Nacht wohl auf weniger Sand gebissen, wenn ich einfach nur in meinen Schlafsack übernachtet hätte. Allerdings hätte ich bestimmt auch noch nassere Füße bekommen! Ein Nachteil der vielen Urlaube am Gardasee war, dass ich von Gezeiten und Tidenhub so viel Ahnung hatte wie ein Pinguin vom Tennisspielen. Fasziniert vom menschenleeren Strand und der Weite des Ozeans baute ich mein Zelt keine fünf Meter vom Wasser entfernt auf.
Sie können sich denken was kommt. Als ich am nächsten Morgen langsam aus meinen sandigen Träumen erwachte, stand das Wasser schon im Vorzelt und war dabei, meine Schuhe zu putzen. Hätte ich mein Zelt nur einen Meter weiter westlich aufgebaut – die Träume wären nicht nur sandig, sondern extrem feucht geworden.
Ich hatte nur Glück, dass der tote Seelöwenbulle ein paar Meter weiter nicht auch noch in mein Zelt gespült wurde. Der Geruch macht nicht wirklich Lust auf Frühstück.
Wenn Sie also zu den Gezeiten-Unerfahrenen gehören, dann wissen Sie jetzt, was ich mit „vorausschauendem Zeltbau“ meine.
Das Frühstück gab es übrigens trotzdem. Ein Mann hat mir vor seiner Haustür eine Tasse Kaffee angeboten, und während wir über seinen letzten Aufenthalt in Europa geplaudert haben hat mich seine Nachbarin mit frischen Erdbeeren versorgt. Wenn Amerikaner nicht gerade irgendwelche Vorschriften beachten müssen, sind sie unglaublich freundlich – auch wenn sie einen am nächsten Tag schon wieder vergessen haben.
Was ich nie vergessen werde, das ist mein Aufenthalt in San Francisco. Zum Einen, weil es für meine Begriffe wirklich eine der schönsten US-amerikanischen Städte ist. Durch die hügelige Landschaft wirkt die Stadt nicht ganz so künstlich angelegt wie viele andere, es gibt viele unterschiedliche Viertel, eine wunderschöne Umgebung, und die Menschen sind – so habe ich es jedenfalls in Erinnerung – großartig. Noch tiefere Eindrücke (im wahrsten Sinne des Wortes) hat aber der Wunsch hinterlassen, aus den USA echte Cowboystiefel mitzubringen. Wobei das Finden des richtigen Ladens und der eigentliche Kauf wirklich das Geringste waren. Ich hatte mir aber in den Kopf gesetzt, die neuen Treter ausgerechnet in der hügeligsten Stadt der USA einzulaufen! Wer schon einmal Cowboystiefel eingelaufen hat kann sich vorstellen, dass meine Füße und Zehen nach einem kompletten Wandertag durch San Fran am Abend ganz schön geschunden waren. Gut, so viel Dummheit gehört aber auch bestraft.
Für den Weg zum San Francisco Brewhouse in der Nähe des Coit Tower (wenn ich mich recht erinnere) habe ich dann doch wieder die bewährten Trekkingstiefel benutzt. Wenn man einem Franken erzählt, dass es in Amerika auch wirklich gutes Bier gibt, dann ist ein Feldversuch geradezu Pflicht, egal wie sehr die Füße schmerzen! Und es hat sich wieder einmal doppelt gelohnt. Einerseits weil das San Francisco Brewhouse dutzende wirklich leckerer Biere aus sämtlichen amerikanischen Staaten anbietet.
Andererseits weil ich gelernt habe nicht alles zu glauben, was man mir erzählt. Und damit meine ich jetzt nicht nur die Aussage „In Amerika gibt´s kein vernünftiges Bier“. Je mehr sie reisen, je mehr sie nachforschen und sich interessieren, umso mehr werden sie feststellen, dass viele gängige Meinungen nur auf Vorurteilen und Missverständnissen beruhen. Denken Sie an die Haie. Alles menschenfressende Bestien, oder? Aber dazu später mehr.
Ach ja, und wo wir gerade bei Bier waren. Es liegt natürlich an Ihnen, sich entsprechenden lokalen Gepflogenheiten anzupassen, oder es zu lassen. Sollten Sie sich aber unwohl fühlen wenn Sie von einem kompletten Restaurant angestarrt werden, dann empfehle ich Ihnen, in Salt Lake City möglichst kein Bier zu bestellen. In der Mormonen-Hauptstadt ist das wohl eher unüblich. Ich habe mein Bier zwar bekommen, allerdings musste der „Barkeeper“ dafür erst diverse Schränke durchsuchen, und konnte sich seinen Nimm-es-und-geh-Blick nur schwer verkneifen. Ich habe diese Begebenheit Jahre später einem befreundeten Amerikaner erzählt. Sein Kommentar: „Wenn Du mit langen Haaren, einem Ohrring, und außerdem unrasiert in Salt Lake City ein Bier bestellst, dann halten die dich womöglich für einen Massenmörder.“ Vorurteile gibt es also überall auf der Welt. Oder anders ausgedrückt: es gibt kulturelle Eigenheiten die einem noch so widersinnig erscheinen mögen. Lieber einmal mehr informiert, und man kommt mit fast jedem gut aus.
Je mehr ich unterwegs war, desto öfter bot sich mir auch die Gelegenheit möglichst sparsam voranzukommen. (Vielleicht gab es diese Gelegenheiten vorher auch schon, ich habe sie nur nicht erkannt.)
Ich wollte zu den Cliff Dwellings auf der Mesa Verde. Uralte Steinbauten auf einem Tafelberg mitten in den Bergen um Durango. Nach Durango zu kommen war Dank Greyhound und mittlerweile ausgereifter Trampererfahrung kein Problem. Was mir mehr Sorgen bereitet hat war die Tatsache, dass in dieser gebirgigen Gegend kaum Menschen, geschweige denn Autos unterwegs waren, mit denen ich die restlichen 60 Kilometer bis zur Mesa Verde überbrücken konnte. Aber auch hier war die Hilfe nicht weit. Im Hostel von Durango lernte ich eine Amerikanerin kennen, die selbst mit dem Auto auf der Durchreise war, und sich am nächsten Tag die Mesa Verde ansehen wollte. Dazu kam, dass Sie versehentlich eine Art Familieneintrittskarte für den Nationalpark gekauft hatte, und mich deshalb umsonst mitgenommen hat. Wir haben den kompletten Tag gemeinsam verbracht, sind durch den Park gewandert, haben Führungen durch die Felsbauten unternommen, und haben am Abend gemeinsam auf einem Felsvorsprung gegessen.
Einziges Problem: sie hatte vergessen mir zu sagen, dass sich 14 Tage vorher ein Stinktier in ihr offen stehendes Auto verirrt hatte, und beim Anblick von so viel weichen Polstern offensichtlich dem Liebesrausch verfallen ist. Es war zwei Wochen her, und im Auto stank es nach wie vor erbärmlich!
Nicht von ungefähr kommt meine Marotte, mein Zelt immer zu schließen, selbst wenn ich mich nur fünf Meter wegbewege.
Einige Wochen später sollte sich das bezahlt machen, als einer dieser schwarzhaarigen Stinker in der Nähe von Carlsbad (hier habe ich die Carlsbad Caverns mit ihrer riesigen Fledermauskolonie besucht) direkt auf mein Zelt zuhielt, sich dann aber für das Nachbarzelt entschied, weil hier der Eingang offen war. Ich habe selten so erfolglos versucht, mir das Lachen zu verkneifen. Sollten Ihre Kinder also wieder mal vergessen haben die Tür zu schließen, versuchen Sie es mit dieser Geschichte.
Mich erinnert das immer an meine Führerscheinstunden. Damals hat mir mein Fahrerlehrer erklärt, dass es wichtig ist, nicht nur den Verkehr direkt vor der eigenen Motorhaube zu beobachten, sondern auch den weiter vorne.
Nun, in Kalifornien habe ich gelernt, dass es auch so etwas wie „vorausschauenden Zeltbau“ gibt.
Ich hatte zwei Tage in Santa Barbara verbracht, und war auf dem Weg weiter Richtung Monterey. Heute baue ich mein Zelt oder meine Hängematte meistens irgendwo an einem unbeobachteten Fleck im Grünen auf, damals (schließlich stand ich am Anfang meiner ersten großen Reise) habe ich noch brav nach Campingplätzen gesucht. So auch auf der Zwischenstation in einer Ortschaft Namens Pismo Beach, einem Surfer El Dorado, wie man mir sagte. Der Campingplatz war völlig überbelegt, keine Chance mehr für mein kleines Kuppelzelt. Allerdings ist es in Pismo Beach erlaubt, am Strand zu zelten, und das hat durchaus seinen Reiz. Wäre da nur nicht die Tatsache, dass es nachts um zehn bei fast völliger Dunkelheit extreme Schwierigkeiten macht, ein Zelt so aufzubauen, dass es nicht völlig versandet! Ich hätte in dieser Nacht wohl auf weniger Sand gebissen, wenn ich einfach nur in meinen Schlafsack übernachtet hätte. Allerdings hätte ich bestimmt auch noch nassere Füße bekommen! Ein Nachteil der vielen Urlaube am Gardasee war, dass ich von Gezeiten und Tidenhub so viel Ahnung hatte wie ein Pinguin vom Tennisspielen. Fasziniert vom menschenleeren Strand und der Weite des Ozeans baute ich mein Zelt keine fünf Meter vom Wasser entfernt auf.
Sie können sich denken was kommt. Als ich am nächsten Morgen langsam aus meinen sandigen Träumen erwachte, stand das Wasser schon im Vorzelt und war dabei, meine Schuhe zu putzen. Hätte ich mein Zelt nur einen Meter weiter westlich aufgebaut – die Träume wären nicht nur sandig, sondern extrem feucht geworden.
Ich hatte nur Glück, dass der tote Seelöwenbulle ein paar Meter weiter nicht auch noch in mein Zelt gespült wurde. Der Geruch macht nicht wirklich Lust auf Frühstück.
Wenn Sie also zu den Gezeiten-Unerfahrenen gehören, dann wissen Sie jetzt, was ich mit „vorausschauendem Zeltbau“ meine.
Das Frühstück gab es übrigens trotzdem. Ein Mann hat mir vor seiner Haustür eine Tasse Kaffee angeboten, und während wir über seinen letzten Aufenthalt in Europa geplaudert haben hat mich seine Nachbarin mit frischen Erdbeeren versorgt. Wenn Amerikaner nicht gerade irgendwelche Vorschriften beachten müssen, sind sie unglaublich freundlich – auch wenn sie einen am nächsten Tag schon wieder vergessen haben.
Was ich nie vergessen werde, das ist mein Aufenthalt in San Francisco. Zum Einen, weil es für meine Begriffe wirklich eine der schönsten US-amerikanischen Städte ist. Durch die hügelige Landschaft wirkt die Stadt nicht ganz so künstlich angelegt wie viele andere, es gibt viele unterschiedliche Viertel, eine wunderschöne Umgebung, und die Menschen sind – so habe ich es jedenfalls in Erinnerung – großartig. Noch tiefere Eindrücke (im wahrsten Sinne des Wortes) hat aber der Wunsch hinterlassen, aus den USA echte Cowboystiefel mitzubringen. Wobei das Finden des richtigen Ladens und der eigentliche Kauf wirklich das Geringste waren. Ich hatte mir aber in den Kopf gesetzt, die neuen Treter ausgerechnet in der hügeligsten Stadt der USA einzulaufen! Wer schon einmal Cowboystiefel eingelaufen hat kann sich vorstellen, dass meine Füße und Zehen nach einem kompletten Wandertag durch San Fran am Abend ganz schön geschunden waren. Gut, so viel Dummheit gehört aber auch bestraft.
Für den Weg zum San Francisco Brewhouse in der Nähe des Coit Tower (wenn ich mich recht erinnere) habe ich dann doch wieder die bewährten Trekkingstiefel benutzt. Wenn man einem Franken erzählt, dass es in Amerika auch wirklich gutes Bier gibt, dann ist ein Feldversuch geradezu Pflicht, egal wie sehr die Füße schmerzen! Und es hat sich wieder einmal doppelt gelohnt. Einerseits weil das San Francisco Brewhouse dutzende wirklich leckerer Biere aus sämtlichen amerikanischen Staaten anbietet.
Andererseits weil ich gelernt habe nicht alles zu glauben, was man mir erzählt. Und damit meine ich jetzt nicht nur die Aussage „In Amerika gibt´s kein vernünftiges Bier“. Je mehr sie reisen, je mehr sie nachforschen und sich interessieren, umso mehr werden sie feststellen, dass viele gängige Meinungen nur auf Vorurteilen und Missverständnissen beruhen. Denken Sie an die Haie. Alles menschenfressende Bestien, oder? Aber dazu später mehr.
Ach ja, und wo wir gerade bei Bier waren. Es liegt natürlich an Ihnen, sich entsprechenden lokalen Gepflogenheiten anzupassen, oder es zu lassen. Sollten Sie sich aber unwohl fühlen wenn Sie von einem kompletten Restaurant angestarrt werden, dann empfehle ich Ihnen, in Salt Lake City möglichst kein Bier zu bestellen. In der Mormonen-Hauptstadt ist das wohl eher unüblich. Ich habe mein Bier zwar bekommen, allerdings musste der „Barkeeper“ dafür erst diverse Schränke durchsuchen, und konnte sich seinen Nimm-es-und-geh-Blick nur schwer verkneifen. Ich habe diese Begebenheit Jahre später einem befreundeten Amerikaner erzählt. Sein Kommentar: „Wenn Du mit langen Haaren, einem Ohrring, und außerdem unrasiert in Salt Lake City ein Bier bestellst, dann halten die dich womöglich für einen Massenmörder.“ Vorurteile gibt es also überall auf der Welt. Oder anders ausgedrückt: es gibt kulturelle Eigenheiten die einem noch so widersinnig erscheinen mögen. Lieber einmal mehr informiert, und man kommt mit fast jedem gut aus.
Je mehr ich unterwegs war, desto öfter bot sich mir auch die Gelegenheit möglichst sparsam voranzukommen. (Vielleicht gab es diese Gelegenheiten vorher auch schon, ich habe sie nur nicht erkannt.)
Ich wollte zu den Cliff Dwellings auf der Mesa Verde. Uralte Steinbauten auf einem Tafelberg mitten in den Bergen um Durango. Nach Durango zu kommen war Dank Greyhound und mittlerweile ausgereifter Trampererfahrung kein Problem. Was mir mehr Sorgen bereitet hat war die Tatsache, dass in dieser gebirgigen Gegend kaum Menschen, geschweige denn Autos unterwegs waren, mit denen ich die restlichen 60 Kilometer bis zur Mesa Verde überbrücken konnte. Aber auch hier war die Hilfe nicht weit. Im Hostel von Durango lernte ich eine Amerikanerin kennen, die selbst mit dem Auto auf der Durchreise war, und sich am nächsten Tag die Mesa Verde ansehen wollte. Dazu kam, dass Sie versehentlich eine Art Familieneintrittskarte für den Nationalpark gekauft hatte, und mich deshalb umsonst mitgenommen hat. Wir haben den kompletten Tag gemeinsam verbracht, sind durch den Park gewandert, haben Führungen durch die Felsbauten unternommen, und haben am Abend gemeinsam auf einem Felsvorsprung gegessen.
Einziges Problem: sie hatte vergessen mir zu sagen, dass sich 14 Tage vorher ein Stinktier in ihr offen stehendes Auto verirrt hatte, und beim Anblick von so viel weichen Polstern offensichtlich dem Liebesrausch verfallen ist. Es war zwei Wochen her, und im Auto stank es nach wie vor erbärmlich!
Nicht von ungefähr kommt meine Marotte, mein Zelt immer zu schließen, selbst wenn ich mich nur fünf Meter wegbewege.
Einige Wochen später sollte sich das bezahlt machen, als einer dieser schwarzhaarigen Stinker in der Nähe von Carlsbad (hier habe ich die Carlsbad Caverns mit ihrer riesigen Fledermauskolonie besucht) direkt auf mein Zelt zuhielt, sich dann aber für das Nachbarzelt entschied, weil hier der Eingang offen war. Ich habe selten so erfolglos versucht, mir das Lachen zu verkneifen. Sollten Ihre Kinder also wieder mal vergessen haben die Tür zu schließen, versuchen Sie es mit dieser Geschichte.
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