Nach drei Flügen und rund 24 Stunden Reisezeit lande ich am 4. Januar abends im argentinischen Mendoza. Die Stadt ist für zwei Dinge bekannt: für den guten Wein, und - wichtiger für mich - als Ausgangspunkt für Expeditionen auf den Aconcagua.
Der Berg gehört mit seinen 6962 Metern nicht nur zu den Seven Summits, sondern ist die höchste Erhebung der südlichen und westlichen Hemisphäre.
Höher geht nur noch im Himalaya.
Vor fünf Jahren stand ich in Nepal am Thorung La, dem legendären Pass der Annapurna-Runde, auf knapp 5500 Metern Höhe. Und irgendwie habe ich da Blut geleckt: warum nicht noch ein bisschen höher, ein bisschen mehr Herausforderung, ein bisschen mehr Kampf? Das Leben beginnt am Ende der Komfortzone!
Bei meinen Recherchen bin ich dann auf diesen gigantischen Felsklotz gestoßen.
Was dann kam waren Monate der Planung. Geld sparen, Material sammeln, den einen oder anderen Sponsor mit ins Boot holen, Flüge checken, und: eine passende Expeditionsgruppe ausfindig machen.
Klar, der Aconcagua ist zwar rein technisch nicht besonders schwierig, trotzdem ist es eine extreme Herausforderung. Die Höhe ist das Eine. Dann haben wir da noch das Wetter. Der Aconcagua ist als extrem kalter Berg bekannt. Temperaturen um -30 Grad sind in den oberen Bereichen keine Seltenheit. Das Wetter kann schnell umschlagen, und wo eben noch blauer Himmel strahlte, kann es schon im nächsten Moment waagerecht schneien.
Und was passiert, wenn mich nachts alleine im Hochlager die Höhenkrankheit überfällt? Wäre ich alleine, und nur mir selbst gegenüber verantwortlich, ich hätte es vielleicht alleine versucht. Nachdem ich aber meiner Frau und den beiden Kids das Versprechen gegeben habe in einem Stück zurückzukehren, erschien mir die Lösung mich einer Gruppe anzuschließen vernünftiger.
Und selbst dann kamen noch Zweifel auf.
Bereits am Flughafen in Mendoza traf ich die ersten Bergsteiger, und die meisten von ihnen waren nicht zum ersten Mal hier.
Warum? Nun, bei den letzten Versuchen mussten sie abbrechen. Wegen erfrorener Nasen, Finger, Zehen, weil ein Muli einem Expeditionsteilnehmer das Gesicht oder das Bein zertrümmert hatte, weil das Wetter gnadenlos war, die Lawinengefahr zu hoch, der Wind zu stark, die Temperaturen zu tief. Oder weil man die Höhenkrankheit nicht in den Griff bekommen hat.
Da denkst du dir kurz nach der Landung: „Um Gottes Willen, was tue ich hier!?“
Im Hotel in Mendoza treffe ich die Teilnehmer meiner Expeditionstruppe, wir gehen noch ein Steak essen (ein absolutes MUSS in Argentinien), machen einen kurzen Materialcheck, und verbringen die letzte Nacht in der Zivilisation.
05.01.
Am nächsten Tag holen wir unser Gipfelpermit (600 Euro!), das uns zum Eintritt in den Nationalpark, und zum Aufstieg auf den Gipfel berechtigt.
Danach mit dem Bus entlang der Plata Mountain Range vier Stunden lang in Richtung Puente del Inka.
Die Landschaft wir dabei immer karger und wüstenartiger.
Wir verbringen noch eine weitere Nacht in einem Hotel. Hier gibt es sogar Skilifte.
Allerdings ist hier im Sommer natürlich nichts los. Die Atmosphäre hat etwas von einem Stephen King Film. Alles verlassen, quietschende Türen die vom Wind auf- und zugeschlagen werden, Sandböen peitschen über die Straße, und alle paar Minuten kommt ein Truck vorbei. Schließlich ist es die Hauptverbindungsachse von Argentinien durch die Anden nach Chile.
Wir sind hier bereits auf 2600 Meter Höhe, der Wind ist nicht nur stark, sondern auch ganz schön frisch, aber die Sonne hat ordentlich Kraft. Sonnencreme wird in den nächsten Tagen ein wichtiger Begleiter werden.
Was jetzt noch getan werden muss:
das Material aussortieren. Bis zum Basecamp werden die Mulis unsere Rucksäcke transportieren, wir tragen lediglich unseren Daypack. Das kratzt zwar ein bisschen am Ego, aber ab dem Basecamp werden wir alles selbst schleppen. Da werde ich dann sehen, wie ich mit 15 bis 20 Kilo am Buckel aussehe, auf über 5000 Metern!
06.01.
Heute gehts dann wirklich los. Allerdings starten wir gemütlich, mit einem dreistündigen Marsch vom Parkeingang Horcones (2800 m) zum Lager Confluencia (3400 m), begleitet von Kondoren, und großartigen Ausblicken auf den Aconcagua.
Immer wieder kommen uns Mulikaravanen entgegen, die für den Lastentransport bis zum Basecamp sorgen.
Danach heißt es Zelte aufbauen.
Und jetzt ist es da, das Urlaubsflair!!! Es hat ein bisschen gedauert bis es soweit war, denn seit die Kids da sind war ich nicht mehr alleine weg. Man vermisst das Gebabbel der Kleinen, die Geschichten die sie erzählen, die Dinge, die sie tun, das gemeinsame Sanmännchen gucken, und die Gute-Nacht-Geschichten.
Aber dann fällt der Schalter um, und man geht voll und ganz in der Aufgabe auf, die man sich hier gestellt hat.
07.01.
Heute machen wir die erste Akklimatisationswanderung.
Gegen 9 Uhr starten wir in Richtung Plaza Francia.
Der Pfad steigt moderat an, und führt über die Schotter- und Geröllfelder des unteren Horcones-Gletschers immer Richtung Aconcagua Südflanke.
Der Gletscher sieht aus wie ein in der Sonne aufgebrochener Feldweg, riesige Eisberge treiben Richtung Tal.
Nach vier Stunden machen wir Rast mit einem gigantischen Blick auf den Berg, der vor uns noch mal 3000 Meter geradeaus in den Himmel wächst.
Das Wetter ist wieder mal perfekt. Blauer Himmel, fast zu heiß ( der Sonnenbrand im Nacken zwickt!), nur der Wind ist teilweise ganz schön krass. Erinnert mich an die Kali Kandaki Gorge in Nepal, das tiefste Durchbruchtal der Welt. Dort hat es uns damals auch fast von den Füßen geweht.
Wieder zurück im Camp Confluencia gehts zum vorgeschriebenen Medical Check.
Drei Mal müssen wir diese Prozedur im Laufe der Expedition über uns ergehen lassen. Blutsauerstoffgehalt, Blutdruck, Puls, und Lungenfunktion werden getestet. Die Ärzte können zwar niemanden vom weiteren Aufstieg abhalten, können aber Empfehlungen aussprechen, eventuell Medikamente verabreichen, und weitere Schritte einleiten. Meine Werte sind Lehrbuchmäßig, und ich bekomme den Stempel für den weiteren Aufstieg.
Um den Akklimatisationsprozeß zu unterstützen ist es darüber hinaus extrem wichtig, viel zu trinken. Und viel heißt hier wirklich viiiiiiieeeeeel!! Fünf bis sechs Liter sind Minimum. Ich habe oft vor dem Frühstück schon zwei Liter intus, und komme am Ende des Tages, gegen 18 Uhr oft auf acht bis neun Liter. Und was rein geht, muss ja auch wieder raus. Dazu später mehr.
08.01.
Wir stehen um 6 Uhr auf, packen Taschen und Zelte zusammen und nach dem Frühstück um 8 gehts Richtung Basecamp Plaza de Mulas.
Immer durch dieses großartige Flusstal, mal mit Blick auf den Aconcagua, mal mit Blick auf den Horcones Gletscher.
Und wieder keine Wolke am Himmel.
So ein Wetter brauchen wir am Gipfeltag!!!
Auch Mulis sind offenbar nicht unverwüstlich.
Wir sind um 15:30 am Ziel.
Das letzte Stück hatte einen ganz gemeinen Anstieg. Der Pfad war schon schmal genug, und dann kommen auch noch dauernd Mulis entgegen. Anstrengend, aber dafür werden wir mit einem gigantischen Blick auf den Gletscherabbruch belohnt.
Erst Zelte aufbauen, während Kondore über uns fliegen. dann setze ich mich ein paar Minuten vor die Webcam. Vielleicht siehts ja zu Hause jemand.
09.01.
Ich hab's mal wieder geschafft!
Zum ersten mal seit Nepal, und zum zweiten Mal in meinem Leben muss ich nachts zum Pinkeln raus.
Der Sternenhimmel entschädigt zwar, aber arschkalt isses trotzdem.
Viele meiner männlichen Kollegen arbeiten mit sogenannten Pee-Bottles.
Auf gut Deutsch: nur so viele Körperteile wie unbedingt nötig verlassen den Schlafsack, und man pinkelt in eine Flasche, die dann am nächsten Morgen geleert wird. Ich kenne zu viele Geschichten von Leuten, die die Flasche im Schlafsack verschüttet haben. Das ist mir zu riskant. Außerdem weigert sich mein Ego, nachts in eine Flasche zu pinkeln!
Und warum das Ganze? Weil ich gestern eine meiner wichtigsten Bergregeln missachtet habe:
Viele meiner männlichen Kollegen arbeiten mit sogenannten Pee-Bottles.
Auf gut Deutsch: nur so viele Körperteile wie unbedingt nötig verlassen den Schlafsack, und man pinkelt in eine Flasche, die dann am nächsten Morgen geleert wird. Ich kenne zu viele Geschichten von Leuten, die die Flasche im Schlafsack verschüttet haben. Das ist mir zu riskant. Außerdem weigert sich mein Ego, nachts in eine Flasche zu pinkeln!
Und warum das Ganze? Weil ich gestern eine meiner wichtigsten Bergregeln missachtet habe:
Keine Flüssigkeitsaufnahme nach 18 Uhr! Sieben Liter hab ich bis dahin eh locker drin, und bis es dann gegen 21 Uhr ins Bett geht hat der Körper noch genug Zeit, den Stoffwechsel ordentlich durchzuführen.
(Diese Regel war übrigens einer der Gründe dafür, dass ich als einizger in der Gruppe jede Nacht durchgeschlafen habe!)
(Diese Regel war übrigens einer der Gründe dafür, dass ich als einizger in der Gruppe jede Nacht durchgeschlafen habe!)
Heute ist "Ruhetag". Laaaangweilig!
Nach dem Frühstück laufe ich erst mal Richtung Gletscher, dann runter durch den Flußlauf zu den Penitentes, und dann noch spontan zum verlassenen Hotel / Hütte, was die Überquerung einer extrem zweifelhaften Brücke erfordert.
Ist aber ne schöne Wanderung, und ich habe die Berge ganz für mich allein.
Was hier auffällt: die Temperaturunterschiede sind immens! Kunststück, das Basecamp steht mitten auf dem Gletscher, gerade mal durch eine rund 1 Meter dicke Geröllschicht vom Eis getrennt.
Scheint die Sonne, dann genügen Shirt und kurze Hose, kommt etwas Wind dazu, dann braucht man sofort die warmen Klamotten, und nachts gehts auf geschätzte -10 Grad runter.
Morgens beim Aufstehen liegt eine dünne Eisschicht über der Innenwand des Zeltes, der Bach ist verschwunden weil eingefroren.
Nach dem Mittagessen gibts erste Infos zu den kommenden Tagen, und ich packe schon mal meine Sachen grob vor, denn ab sofort heißt es: alles selber schleppen!
Abends noch zum Medizincheck.
90% Sauerstoffsättigung, und ein Blutdruck von 130 zu 75.
Passt alles!
Dann gehts morgen zum Akklimatisieren auf den 5100 m hohen Cerro Bonete.
Letzter Tee um 18:15! :-)
10.01.
Hab wieder durchgeschlafen, abgesehen von einer halben Stunde gegen 3 Uhr.
Meine Nase war komplett zu, und wenn man die furztrockene Luft hier oben stundenlang durch den offenen Mund zieht, dann denkt man irgendwann, der Hals fällt ab.
Hat sich dann aber wieder gegeben.
Gegen 8:30 gehts los zum Cerro Bonete, wie immer bei wunderschönem Wetter.
Der Aufstieg ist steil, und die Geschwindigkeit, die die Guides vorgeben erscheint mir quälend langsam.
Der Vorteil ist, das ich komplett entspannt und unverschwitzt oben ankomme.
Auf dem Weg wieder jede Menge Pinnacles, und oben dann ein gigantischer Ausblick über die Anden, und auf unsere Route zum Aconcaguagipfel. Wir können die Lager 1 bis 3 sehen, den Einstieg in die Canaletta, und den Gipfel.
Das wirkt alles so nah, und trotzdem werden wir von Camp 3 bis zum Gipfel im besten Fall 8 Stunden brauchen, one way!!!
Wenn der Blick hier schon so unbeschreiblich ist, wie muss es dann erst 2000 Meter weiter oben sein?
Nach einigen Fotos und Brotzeitpause steigen wir wieder ab.
Wir pacen durch den Staub und das Geröll, als wäre es eine Skipiste.
Macht irre Spaß, allerdings dürften das auch ideale Bedingungen für eine Staublunge sein.
Monika aus dem Team war heute nicht mit dabei. Ihr ging es schon länger nicht besonders. Die Ärzte haben akute Höhenkrankheit festgestellt.
Sie bleibt die nächsten zwei Tage erst mal hier, und steigt dann evtl. mit zum Camp 1 auf.
Halb so schlimm, unser tatsächlicher Aufstieg ist ja auch erst am 13. Januar.
Andy, mein 60jähriger Mitbewohner sieht irgendwie auch nicht gut aus. Allerdings wirkt er nur extrem schlapp, und weniger krank.
11.1.
Heute bringen wir schon mal erstes Material zum Camp 1.
Die ganze Aktion dürfte maximal 5 Stunden dauern, da das Camp keine 700 Höhenmeter über uns liegt.
Jeder muss ca. 6kg Material und Essen hoch schaffen, plus einen Teil der eigenen Ausrüstung.
Den Rest nehmen wir dann übermorgen mit.
Frühstück um 9, danach Verteilung des Materials, und ab geht die Post.
Mit 15kg im Rucksack gehts nach oben. Nach 3,5 Stunden seeeeehr langsamem Aufstieg sind wir da.
(Wäre mal wieder auch in zwei gegangen.)
Camp Canada ist nichts weiter als eine Schotterfläche, und noch dazu eine recht kleine. Der Gipfel scheint so nah, man könnte meinen es wäre ein Spaziergang.
Wir bleiben ein wenig in der Sonne liegen, fixieren unser Material mit Steinen, und wedeln wieder runter.
Gegen 16 Uhr sind wir wieder da.
Problematisch könnte die Wasserversorgung in den Höhencamps werden, da weit und breit kein Schnee zu sehen ist. Die Camps 2 und 3 liegen näher am Gletscher bzw. am Gipfel, aber Camp 1 ist brottrocken.
Scheinbar hat das jemand gehört, denn am Abend zieht es zu, und es beginnt zu schneien. Echt ungemütlich!
Das ist dann so der Moment, wo man sich nach Hause wünscht, die Kids ins Bett bringen, und mit dem Frauchen kuscheln.
Der innere Schweinehund ist manchmal ein echter Arsch!!!!!
Wenns zu Hause jetzt nicht 1 Uhr nachts wäre, ich würd glaub ich anrufen... Wenn es ein Netz gäbe.
12.1.
Davon abgesehen, dass die Parkranger heute Nacht gegen 23 Uhr das halbe Camp geweckt haben, weil ein Russe vermisst wurde habe ich bestens geschlafen.
Der Depp hat sich am Lager 2 mit seinen zwei Kollegen gestritten, und ist dann alleine abgestiegen.
Alles war in heller Aufregung.
Die Ranger plärren durchs Zelt wie wir heißen. Und weil sie einen Andrej suchen, und "Andy" falsch verstehen, müssen wir auch noch unsere Visagen ins Taschenlampenlicht halten. Ich hätte ja gar nicht reagiert, aber Andy - mein Zeltmitbewohner - ist eben ein gut erzogener, englischer Gentleman.
Und wo haben sie den Arsch dann gefunden?
Morgens um 6 friedlich schlafend im Küchenzelt. Trottel!!!!!
Heute ist noch mal Ruhetag, und das bei schönstem Wetter. Brühwarm, strahlend blauer Himmel, einfach großartig. Dazu noch die eine oder andere rumpelnde Bilderbuchlawine am Gletscher, was will man mehr!
Um 11 ist wieder Medizincheck.
Ich bin bestens drauf: 97% Sauerstoffsättigung, Ruhepuls von 75, auf den Blutdruck hab ich gar nicht mehr geschaut.
Der Doc grinst mich nur an und sagt
"You go up there!"
Ich hoffe mal er behält recht, und das Wetter funkt nicht dazwischen.
Danach mache ich Wellness.
10 Minuten heiße Dusche für 10 Dollar, aber das ist es mir wert.
Haare waschen, bissl rasieren, Nägel schneiden... Man muss ja gut Aussehen am Gipfel ;-)
Ich befürchte zwar, dass der Effekt spätestens übermorgen wieder verflogen ist, aber es war mit Sicherheit eine der schönsten Duschen meines Lebens!
Nach dem Abendessen gibts noch ein paar Infos zum Ablauf der nächsten Tage, inklusive "how to Shit in the highcamps".
Sehr amüsant!
Der Punkt ist der: bis zum Basecamp gibt es so etwas ähnliches wie Toiletten. Die Behälter werden regelmäßig ausgetauscht, und vom Helikopter mit ins Tal geflogen. Das garantiert, dass es am Berg sauber bleibt. Auch alle anderen Abfälle werden auf diese Art entsorgt. Eine Müllhalde wie am Everest kann hier also gar nicht erst entstehen.
Weiter oben gibt es diesen Service aber nicht mehr. Soll heißen: der geneigte Bergsteiger muss alles (!!!) was er hoch bringt, auch wieder mit runter nehmen. Und bei den kalten Temperaturen gibt es auch keine biologischen Abbauprozesse mehr. Ich werde hier nicht weiter ins Detail gehen, wir haben aber tatsächlich ALLES wieder runtergebracht.
13.1.
Gegen 10:30 gehts mit dem restlichen Gerödel zum Camp Canada. Der Rucksack ist voll bis zum Rand.
14:30 sind wir da.
Zelt aufbauen auf 5000 m ist gar nicht mal so unanstrengend!!
Danach erstmal chillen!
Um 20 Uhr gibts Linseneintopf aus der Tüte, danach einen Superkitschsonnenuntergang, und hinterher wird am Kissen gehorcht.
14.1.
Frühstück draußen mit Aussicht bei Minusgraden - macht man daheim auch eher selten.
Heute gehts mit dem Gerödel von gestern PLUS Essensvorräten hoch zum Camp 2 Nido del Condores.
Das macht dann knapp 20 kg im Rucksack. Geht aber ganz entspannt, und immer schön langsam bis auf knapp 5500 m.
Damit bin ich jetzt höher als je zuvor!
Pünktlich mit unserem Eintreffen am Camp gegen 14:30 beginnt ein Schnee- und Graupelsturm, so dass innerhalb von wenigen Minuten alles unter einer zentimeterdicken, weißen Schicht begraben ist. Auch wir, obwohl wir die Zelte in Rekordzeit aufstellen.
Bisschen gammeln im Zelt, und wieder aufwärmen.
Dann schaue ich mal auf die andere Seite des Platzes, und mir verschlägts den Atem!
Von hier aus hat man einen unglaublichen Blick auf die Gletscher, die von allen Bergen hinunterfließen, und schließlich zu einer gigantischen Eisautobahn werden!
Und da kommt schon wieder die nächste Schneewolke.
Ist halt doch Januar! :-)
Im Lauf des Abends und der Nacht wächst sich das Wetter zu einem echten Orkan aus.
Es rüttelt und scheppert am Zelt, und morgens haben wir 40cm Schnee unterm Vorzelt.
15.1.
Erstmal schön warm anziehen, dann den Schnee aus dem Weg schaufeln.
Gegen 10:30 Abmarsch, 14:15 auf Höhe Camp Berlin, 14:50 sind wir dann im Lager 3 Colera auf 5900m.
Schon krass, wie schnell die Zeit am Ende vergeht. Morgen ist schon Gipfeltag - wenn das Wetter mitmacht.
Und das würde bedeuten, dass ich übermorgen Abend schon wieder im Basecamp bin, und einen Tag später in Mendoza. Dann kann ich zu Hause mal wieder was von mir hören lassen.
Fakt ist jedenfalls, dass das Bergwetter mal wieder alle Register zieht.
Genau wie gestern stürmt und schneit es ohne Pause, das Zelt wackelt und flattert, und ich hab nix mehr zu lesen!
Hätte vielleicht doch ein Hörbuch auf dem Handy lassen sollen.
Wir verbringen den Rest des Tages größtenteils damit im Zelt zu dösen, das Material für Morgen zu sortieren, den Tütenmampf zu futtern, und heißes Wasser in uns reinzuschütten.
16.1.
Endlich, es ist Gipfeltag, und der hat es in sich!!!
Wecken um 3, und ordentlich Flüssigkeit reinschütten. Wir können nicht viel Flüssigkeit mitnehmen, weil durch die niedrigen Temperaturen mit der Zeit alles einfriert. Deswegen müssen die Körperreserven vorher schon erdenklich aufgefüllt werden. Ansonsten werden zwei bis drei Liter kochendes Wasser in Thermoskannen abgefüllt, um sie so lange wie möglich flüssig zu halten. Gesund ist das nicht, aber es gibt keinen anderen Weg.
Ab jetzt steht alles unter dem Motte „Entdeckung der Langsamkeit“. Ein paar Bissen essen, und vier Schichten Klamotten anziehen. Unterwäsche, lange Unterwäsche, Fleece, Isolationshose, Daunenjacke, Gamaschen, Handschuhe, Fäustlinge. Fuck ist das anstrengend!
Abmarsch um 5.
Ich hätte es ja nicht geglaubt, nach dem Wind heut nach.
Wir haben wunderschönen Sternenhimmel, es ist saukalt aber windstill. Wir blicken hinunter auf die Anden.
Und dann gleich zu Anfang der Schockmoment: was ist da los mit den Zehen in meinem Linken Schuh?
Das fühlt sich nicht gut an! Jetzt schon umdrehen??
Fünf Minuten später die erste Pause.
Ich hatte nur den Schuh zu feste geschnürt, darf meine Zehen also behalten.
Beim Weitergehen geht die Sonne langsam auf, und wirft den Schatten des Aconcagua in den Morgendunst, direkt unter den Mond. Spitzenmoment!
Wir gehen langsam und im Schneckentempo, ein Schritt, drei Atemzüge.
Immer wieder tolle Blicke über die Anden, wir sind jetzt schon höher als alle anderen Berge außen herum.
Bisher haben wir absolutes Spitzenwetter, keine Wolken, kein Wind.
Hinter dem nächsten Hügel liegt die Traversa. Auch hier kein Windzug. Ungewöhnlich, denn das ist normalerweise die Stelle, an der es am Meisten kachelt.
Blick bis runter zum Basecamp, alles wunderschön, und plötzlich hab ich wieder die Suppe im Gesicht!
Wenn es eine wichtige Sache gibt, die ich in diesem Urlaub gelernt habe dann: du weißt erst was Familie bedeutet, wenn du selbst eine hast. Ich würde diesen Moment jetzt so gerne mit meiner Frau und meinen Kindern teilen!
Ziemlich fertig macht es mich auch, dass mir bei ca. der Hälfte der Traversa ein Guide dabei helfen muss, meine Steigeisen anzulegen.
Das ist doch sonst nicht so schwer!!! Ein Arbeitsschritt, der normalerweise in wenigen Minuten erledigt ist, und nur ein paar wenige Handgriffe erfordert, wird hier zur Herausforderung!
Aber auf 6500m ist einfach jede Bewegung, außer dem Laufrhythmus ( 3 x Atmen, 1 Schritt) eine Herausforderung! Und ich bin auch nicht der Einzige. Ohne Vladi, den Guide, hätte ich für diesen simplen Schritt bestimmt 20 Minuten gebraucht.
Aber die Gedanken an zu Hause treiben mich auch an, und ich bin ziemlich fix am Eingang zur Canaletta.
Einziger Negativaspekt: es sieht mal wieder so aus, als müsste man nur um den Hügel rum, und wäre in 10 Minuten am Gipfel. Denkste! Es sind nochmal 2,5 Stunden mit Steigeisen durch Schnee und Geröll.
Auf einmal ziehen dann auch noch die Wolken zu, und es schneit immer stärker. 20 Minuten vor dem Gipfel will unser Guide umdrehen. Nach einer kurzen Besprechung entschieden wir uns aber, es doch noch zu versuchen.
Es sind die 20 härtesten Minuten meines Lebens: es stürmt und schneit, wir sind seit 10 Stunden unterwegs, der Aufstieg nimmt kein Ende, der Wind nimmt immer mehr zu, aber um 15:10 Uhr stehen wir dann - mit vier Ausnahmen - alle am Gipfel.
(Die Stöcke Lassen wir ein paar Meter weiter unten liegen, wegen der hohen Ladung in der Luft. Die Gefahr eines Blitzschlags ist immens!)
Es gibt ein paar Umarmungen und Schulterklopfen. Es werden auch ein paar Fotos gemacht, zu sehen gibt es sonst leider nicht viel. Bei ca. 100 Metern Sicht ist nicht viel zu holen.
Die ganz große Freude bleibt aber erst mal aus, irgendwie kann es doch noch keiner so recht glauben, und wir sind auch irgendwie zu ausgepowert, und zu wenig mit Sauerstoff versorgt, um jetzt hier zu feiern.
Dann gehts an den Abstieg.
Es bläst und pfeift, dazu donnert und blitzt es jetzt auch noch, vom ohnehin nicht vorhandenen Pfad ist nichts mehr zu sehen. Wir waten knietief durch eine weiße Wand.
Unserem Guide sei Dank schaffen wir es auch wieder runter. Alleine wäre das ein Himmelfahrtskommando. In dem Fall wäre ich wohl auch nicht bis zum Gipfel gekommen.
Unten kurze Pause, dann den kompletten Weg mit Steigeisen zurück.
Ungefähr eine Stunde vorm Lager eine ganz komische Situation.
Die Luft hat sich so aufgeladen, dass die Elektrizität wie ein Kolibri um mich herumschwirrt.
Ich kann es hören und spüren, es bitzelt auf meinem Kopf, ich werfe panisch meine Stecken weg und mich auf den Boden.
Meine Mitläufer gucken mich leicht amüsiert an, bis es ihnen kurz darauf genauso geht, und 50m entfernt ein Blitz einschlägt.
Das geht noch ein paar mal so, aber wir können ja nicht ewig am Boden liegen bleiben.
Den restlichen Weg verbringe ich taumelnd im Halbschlaf, falle gegen 19 Uhr mit meinen Stiefeln an den Füßen ins Zelt und schlafe sofort ein.
17.1.
Es hat wohl die Nacht durch weiter gestürmt und geschneit, das ganze Camp liegt teilweise knietief unter Schnee begraben.
Von dem was man so hört, sind einige Expeditionen gar nicht erst los, andere mussten an der Traversa wegen zu viel Schnee umdrehen.
Für die nächsten Tage werden da oben Windgeschwindigkeit von rund 100 Meilen / Stunde erwartet.
Da geht nix, hatten wir also noch mal Glück!!!!
Das Wetter heute ist ansonsten strahlend schön. Kurz vor 11 machen wir uns an den Abstieg.
Stundenlang bergab zu laufen ist extrem anstrengend, zumal es bis auf 4500m runter geschneit hat, und jeder Schritt ein Glücksspiel ist.
Um 15 Uhr betreten wir wieder das Basecamp, und dazu passend fängt es an zu schneien.
Als Welcome gibts Hamburger (sogar zwei!) und Cola für alle.
Den restlichen Tag verbringen wir im Essenszelt.
Das Abendessen ist eigentlich wie immer. Danach gibts aber noch zwei Überraschungen.
1) wir dürfen alle im Essenszelt übernachten und müssen unsere Dackelgaragen in dem Schneegestöber nicht aufbauen, und
2) es gibt jede Menge Sekt!!
18.1.
Kurz vor 11 nach dem Frühstück Laufen wir im Schneegestöber los Richtung Parkausgang.
Bei diesem Wetter hat die Landschaft noch mal eine ganz besonders magische Atmosphäre.
Unterwegs erfahren wir, dass alle Expedition aus den Hochlagern abbrechen und nach unten kommen.
Die Traversa ist wegen akuter Lawinengefahr dicht, die Canaleta wegen Schnee und Wind unpassierbar.
Schon eine Stunde nachdem wir mit Müh und Not wieder runtergekommen sind ging nichts mehr. Die Lage soll noch mindestens die nächsten vier Tage so bleiben.
Wir hatten also unheimlich viel Glück, in jeder Hinsicht!
So viel Schnee um diese Jahreszeit ist sehr ungewöhnlich, es hat bis auf ca. 4000 Meter runtergeschneit.
Wir waren also für einige Zeit die letzten da oben.
Gegen 18 Uhr sind wir unten am Bus.
Ich bin nicht der Einzige dem es so vorkommt, als ob wir vor Monaten hier durchgelaufen sind, nicht erst vor 14 Tagen.
Wir fahren an der Gedenkstätte der Bergsteiger vorbei, die am Aconcagua ihr Leben gelassen haben, halten noch bei ein paar Gaucho-Stationen um Gepäck abzuholen, und fahren weiter Richtung Mendoza.
Unterwegs kurzer Pinkelstopp.
Im Spiegel am Klo sehen wir zum ersten Mal in Großformat, was wir alle für fertige Gestalten sind.
Ich nehme mir vier Empanadas mit Fleisch-Zwiebelfüllung für 16 Pesos mit, das sind keine zwei Euro, es schmeckt und macht satt.
Durch das Rumgeschaukel im Bus merke ich erst, wie fertig ich bin!!
Nachdem wir ankommen wird schnell geduscht, und dann gehen wir noch gemütlich futtern.
Nachts um 1 Uhr ein 700 Gramm Steak für umgerechnet 10 Euro ist für Argentinien scheinbar normal. Auch, dass es um diese Zeit noch rappelvoll ist im Restaurant.
19.1.
Frühstück um 10, um 13 Uhr startet das große Abschiedsfressen mit den Guides. Es gibt Parilla, eine Fleischfressorgie, die bis 18 Uhr dauert, mit Bier, Wein, Sekt, Rum, etc.
Das haben wir uns verdient!
Es war eine großartige Tour. Einige Passagen vom Gipfeltag sind mir entfallen, die Anstrengung und der Sauerstoffmangel haben dann doch ihren Tribut gefordert.
Ansonsten werde ich keinen Augenblick dieser Expedition jemals vergessen.
Auch wenn es eine Schinderei war: es tut gut zu spüren, zu was man in der Lage ist, und dass es noch existiert, das letzte große Abenteuer.
Wobei - das letzte wird es für mich bestimmt nicht gewesen sein…
Wobei - das letzte wird es für mich bestimmt nicht gewesen sein…