Dienstag, 5. März 2013

Weiter durch Mittelamerika

Alleine die Reise von Deutschland nach Guatemala war ein Erlebnis.
Es hatte damals, im Dezember 1996, noch so gut wie keinen Schnee gegeben. Klar, dass Frau Holle irgendwann das Sitzfleisch ordentlich gejuckt hat, und sie etwas nachzuholen hatte. Und wie immer wenn Frauen der Putzfimmel packt flogen ordentlich die Fetzen. Das Unternehmen Zukunft, besser bekannt als „Die Bahn“ hätte wohl schon früher einen Blick in die Zukunft werfen sollen, die Schienen wären vielleicht frei gewesen. Der Zeitpunkt meiner Ankunft am Frankfurter Flughafen viel dann auch exakt auf die offizielle Abflugzeit meiner Maschine, die mich über Madrid nach Guatemala City bringen sollte. Mein panischer Spurt zum Check-In Schalter war aber ebenso überflüssig wie die hektischen Flecken auf meinem Gesicht. Wegen der völlig zugeschneiten Start- und Landebahnen herrschte gepflegtes Chaos, und der Flug war erstmal auf unbestimmte Zeit nach hinten verschoben.

In den folgenden fünf Stunden sollte ich lernen, wie viel Spaß man an einem Flughafenterminal haben kann, wenn man die richtigen Menschen trifft. Seit gut zwei Stunden saßen dort mehrere langhaarige Typen Mitte 20 auf ihren Rucksäcken, und warteten auf ihren – also meinen – Flug. Und nachdem die meisten Reisenden irgendwie vom selben Schlag sind saßen wir recht schnell zusammen, plauderten über vergangene und zukünftige Reisen, über Erlebnisse, eben über das, was ich Ihnen in diesem Buch berichte, ergänzt durch solche Geschichten, die ein Verlag niemals in einem Buch drucken würde. Wenn Sie die erleben wollen, dann müssen Sie sich schon selbst auf den Weg machen. Kurz und gut, wir hatten sehr lange sehr viel Spaß, und dank des Duty-Free-Shops auch sehr viel Wodka. Den Passagieren nebenan hatte man per Durchsage mitgeteilt, dass sie in einer viertel Stunde (nach vier Stunden Wartezeit) nun doch an Bord gehen könnten. Zehn Minuten später hatte ich eine Wette, und damit eine Flasche Wodka gewonnen. Unsere Nachbarn durften nämlich nicht boarden, sie durften heimgehen. Ihr Flug war dann doch noch komplett storniert worden.

Meine Wodkaflasche und ich hatten da etwas mehr Glück. Mit fast sechs Stunden Verspätung waren wir dann doch noch in der Luft Richtung Madrid. Skol!

Fazit: wir Deutschen sind zwar nicht gerade die größten Komiker, man kann aber auch durchaus seinen Spaß haben, wenn man stundenlang an einem Flughafen festsitzt.

Ich kann auch Menschen nicht verstehen die sich beklagen, weil ihr Heimflug sich um mehrere Tage verschiebt. Das soll ja immer wieder vorkommen wegen Überbuchungen, Flugausfällen etc.
Niemand kann Ihnen daraus einen Strick drehen. Es ist nicht Ihre Schuld. Genießen Sie doch einfach die geschenkte Zeit.
In (fast) jeder Situation kann man irgendwie das Beste draus machen.

Das nächste Abenteuer wartete in Form einer Taxifahrt vom Flughafen in Guatemala City nach Antigua Guatemala. Antigua ist die ehemalige Hauptstadt, außerdem Weltkulturerbe, und um ein vielfaches ruhiger und sicherer als Guatemala City. Diesen Luxus bezahlt man mit etwas mehr Tourismus, und einer abenteuerlichen Fahrt. Ich hätte natürlich auch den Bus nehmen können, aber wenn man am Silvesterabend hinter ihnen den Flughafen absperrt, und alle um Sie herum mit selbst gebastelten Böllern werfen, dann geben Sie auch Fersengeld!

Außerdem hatte ich schon in New York gelernt mich mit Taxifahrern anzulegen, und war meiner Sache recht sicher. Meiner Sache, nicht meines Lebens. Denn das Taxi bestand zum größten Teil aus Rost. Marke, Modell und Baujahr waren nicht zu erkennen, Windschutzscheibe und Sicherheitsgurt nicht vorhanden ebenso wenig wie ein Schloss für den Kofferraumdeckel. Deutsche TÜV-Beamte würden nach diesem Anblick 14 Tage Vollpension in der örtlichen Psychiatrie buchen.

Die Fahrt war dann auch genauso abenteuerlich wie das Gefährt selbst. Der Mann am Steuer holte alles raus, 80 km/h! Was bei Schlaglöchern von der Größe einer Wildsau, und dem ebenso saumäßigen Fahrstil der anderen Verkehrsteilnehmer durchaus eine Erfahrung ist. Allerdings, so chaotisch das auf den ersten Blick anmuten mag, und so sehr der Griff zur Hupe bei den einheimischen Autofahrern offensichtlich schon ins Erbgut gemeißelt ist – irgendwie scheinen diese Leute im Straßenverkehr mehr Rücksicht aufeinander zu nehmen als wir das mit unseren hochgezüchteten PS-Boliden tun. Mit einer Einschränkung: Fußgängerjagd erfreut sich dort ebensolcher Beliebtheit wie anderswo Fussball, Cricket und die Fuchsjagd. Die Gesundheitsfanatiker werden es nicht gerne hören, aber ein Spaziergang ist nicht immer gesund.

In Antigua angekommen war ich dann spontan um zwei weitere Erfahrungen reicher. Erstens: offensichtlich hatte die gesamte westliche Welt beschlossen hier ins neue Jahr zu feiern. Und zweitens: eine Zimmerreservierung bringt hier ungefähr so viel wie High Heels auf dem Mount Everest. Hier gilt die Devise „first come, first served.“ Und scheinbar waren wirklich alle vor mir da, inklusive der Importeure deutscher Freundlichkeit. Während ein ergrautes deutsches Ehepaar noch einen freundlich lächelnden Hotelbesitzer rund machte (Stichwörter: Unverschämtheit, Anwalt, Reiseleitung, nie wieder, etc.)kam ich mit einem anderen Einheimischen ins Gespräch. (Wenn man das bei meinen rudimentären Spanischkenntnissen so nennen kann.) Das Ergebnis: zehn Minuten später saßen wir bei einem Bier zusammen, weitere zwanzig Minuten später fuhr mich ein befreundeter Taxifahrer kostenlos zu seinem Schwager. Und der brachte mich zu einem Spottpreis im Notquartier seiner Pension unter.

Wir schreiben uns also dick und fett ins Merkheft: nicht motzen und meckern, sondern reden und zuhören. Das funktioniert meistens, kostet weniger Zeit und Nerven und öffnet viele Türen. Die Tür zum Pensions-Schwager (seinen Namen habe ich leider vergessen) hatte ich scheinbar sperrangelweit aufgestoßen. Denn der hat die komplette Silvesternacht mit mir gefeiert, und mit einer Engelsgeduld versucht mir die nötigsten Brocken Spanisch beizubringen. Und was soll ich sagen? Es hat funktioniert. 


Unterm Strich hatte ich also eine schöne und billige Unterkunft die ich so nie bekommen hätte, eine lustige Silvesternacht mit Einheimischen (die man sonst auch schwer bekommt), jede Menge zu trinken für umsonst, erstklassige Informationen aus erster Hand, einen Grundstock an Spanisch, und einen Taxifahrer, der mich auch am nächsten Tag noch gratis kutschiert hat. Noch Fragen?

Bevor Sie sich also das nächste Mal – nicht nur im Urlaub - über etwas aufregen, denken Sie an Ihren Kreislauf, die vergeudete Zeit, und die vertanen Möglichkeiten.

Und etwas Anderes fällt mir bei den Stichwörtern Meckern und Silvester ebenfalls noch ein. Beim Bereisen dieser Länder wird einem die Armut der Menschen an jeder Ecke deutlich. Im Vergleich zu Deutschland oder Mitteleuropa leben diese Menschen am absoluten Existenzminimum. Der Essensplan reicht über Reis mit Bohnen und Weizentortillas nicht hinaus. Trotzdem sieht man kaum jemanden mit einem miesepetrigen Gesicht herumlaufen. Das Gegenteil ist der Fall. Man konzentriert sich nicht – wie es bei uns so häufig der Fall ist – auf das Negative.
Man versucht eher sich an den schönen Dingen des Lebens festzuhalten. Gefeiert wird daher oft und ausgiebig. Speziell an Silvester ist mir das aufgefallen. Auch wenn noch so wenig Geld da ist, Knallfrösche und Raketen fliegen bis weit in den Januar hinein täglich durch die Luft. Jetzt wird gefeiert, lassen wir es krachen.

Gut, eine andere Seite der Medaille gibt es natürlich auch.
Darüber reden wir beim nächsten Mal...